
In unserem neuen Blogbeitrag geht es um einen wirklich interessanten Mann – um den Sozialwissenschaftler und Schriftsteller Prof. Dr. Klaus Hansen. 1948 in Pronsfeld in der Eifel geboren, studierte er an der Universität Münster Psychologie, Soziologie, Publizistik und Ethnologie an der Universität Münster. 1977 wurde er zum Doktor der Philosophie promoviert.
Um jetzt seinen ganzen Lebenslauf aufzuführen, würden wir wohl noch etliche weitere Seiten füllen. Dabei soll es heute ja um etwas ganz Anderes gehen.
Prof. Dr. Klaus Hansen ist nämlich neben all seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten vor allem auch Verfasser von Satiren, politischen Gedichten und experimenteller Poesie. Sein besonderes Interesse gilt der Symbolik des Fußballspiels.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines unserer C1-Kommunikationskurse hatten das Vergnügen, Klaus Hansen zu interviewen. Und dieses Interview wollen wir euch auf keinen Fall vorenthalten.
Am Ende unseres Blogbeitrages haben wir euch noch zwei seiner Gedichte mitgegeben. Eine ukrainische Teilnehmerin aus diesem Kurs hat diese ins ukrainische übersetzt.
Viel Spaß beim Lesen und genießen!



Wäre es möglich deine Gedichte in eine Fremdsprache übersetzen zu lassen? Welche Sprache wäre es? Und warum?
Was meine Fußballgedichte, Fußballaphorismen und Fußballminutengeschichten angeht, bietet sich natürlich die englische Sprache besonders an. Das Fußballspiel ist in England „erfunden“ worden und das Englische ist seine „Muttersprache“. Das merken wir bis heute auch im Deutschen: Wir sagen „kicken“, „dribbeln“ und „foulen“, rufen zum „Fairplay“ auf und sprechen vom „Keeper“, wenn wir nicht zum wiederholten Male „Torwart“ sagen möchten.
Wann genau hast du angefangen zu schreiben?
Schon als 13jähriger, als Schülerredakteur der Schülerzeitschrift „einspruch“; als 16jähriger bei der Pfadfinderzeitschrift „Rover“; als 19jähriger bei der Studentenzeitschrift „Semesterspiegel“. – Ich habe schon immer lieber geschrieben als gesprochen.
Was ist dein Lieblingsgedicht, das du nicht selbst geschrieben hast?
Habe viele „Lieblingsgedichte“. In der frühen Schulzeit waren es Gedichte von Georg Trakl, in der späten Schulzeit war es gesellschaftskritische Lyrik, von Francois Villon bis Wolf Biermann und Erich Fried. Heute liegt mir die Lyrik zweier polnischer Autoren besonders am Herzen: Tadeusz Rózewicz und Wislawa Szymborska.
Was die Gattung „Fußballgedichte“ betrifft, halte ich die „Rammer-und Brecher-Sonette“ von Ror Wolf für vorbildlich.
Wäre ich gezwungen, tatsächlich nur ein einziges Gedicht als Lieblingsgedicht bezeichnen zu müssen, so wäre es: „Hälfte des Lebens“ von Friedrich Hölderlin.
Was möchtest du mit deinen Satiren und deiner Poesie zum Ausdruck bringen? Was ist deine Botschaft?
Was die Fußball-Texte betrifft: Die Leidenschaft für das Spiel, seine Rätselhaftigkeit und seinen Witz möchte ich zum Ausdruck bringen und dabei mit der Vieldeutigkeit seiner „Sondersprache“ spielen. – Für die „Botschaft“ bin nicht ich als Autor verantwortlich; jeder Leser soll seine eigene Botschaft aus den Texten ziehen.
Ist eine politische Botschaft in deinen Satiren / deiner Poesie versteckt?
„Im Fußballstadion prügeln sich die Arbeitslosen mit den Hoffnungslosen um den Sieg ihrer favorisierten Millionäre. – Welch eine Vergeudung revolutionärer Energien!“ – So viel politisches Bekennerschreiben muss sein!
Wie kommst du auf deine Ideen? Bzw. wie lässt du dich inspirieren?
Der „calcio parlato“ (= der ge- und besprochene Fußball) ist die große Inspirationsquelle. Ein Fußballspiel dauert nur 90 Minuten, aber gesprochen und geschrieben wird darüber 7 Tage, bis zum nächsten Spiel. Die Sprache der Spieler, Reporter, Trainer und Funktionäre ist mein wichtigster Rohstoff.
Was ist schöner – das Schreiben, also der Prozess oder das Ergebnis?
Das Schreiben. Weil es nie aufhört. Und weil es eine ständige Selbstvergewisserung ist. Das Ergebnis, zumal wenn es schwarz auf weiß veröffentlicht vorliegt, hat eine deprimierende Endgültigkeit.
Gibt es ein Thema, das dir schwer fällt?
Ich habe noch nie darüber nachgedacht. In meinem Schreiber-Leben fiel mir der Essay über unseren Umgang mit Tieren ziemlich schwer. Er ist 2013 in dem Ausstellungs-Katalog „Viecher und wir“ unter dem Titel „Zum Fressen gern – Gedanken an der Wursttheke“ erschienen. – Heute finde ich ihn besonders gelungen.
Für welche Werke bist du mit Preisen ausgezeichnet worden?
Alles kleine, „schräge“ Preise:
1995 – Viva Maria Preis, ausgelobt von Dieter Bott, für eine Satire auf den 50. Geburtstag von Franz Beckenbauer: „Schau’ma ma, dann seh ma scho.“
2010 – Kevin Prince Boateng Preis, ausgelobt von dem Verleger Klaus Bittermann und dem Satiriker Wiglaf Droste, für einen Lobgesang auf das gepflegte Foulspiel: „Foul geht vor“.
2018 – Auszeichnung durch den Deutschen Miniaturbuchverein Leipzig: „Schönstes Minibuch 2017“ für das kugelrunde Minibuch „Der Ball muss rollen“, Berlin 2017. – Ein Büchlein, 247 Seiten stark, das man nicht nur lesen, sondern auch kicken kann!
Wie gehst du bei der Gestaltung deiner Gedichte (zum Beispiel denen für ein Buchcover) vor?
Eines meiner Gestaltungsmittel stammt aus der „konkreten Poesie“, für die in der deutschen Sprache vor allem die Namen Eugen Gomringer und Ernst Jandl stehen. Aus Buchstaben bilde ich Textbilder, die sich ganz normal lesen lassen, wenn man den richtigen „Pfad“ findet. Buchstaben werden so manchmal zu Suchstaben und Lesende zu Detektiven, die nicht bloß rezipieren, sondern dechiffrieren müssen. – Das Lesen selbst wird zum Spiel.
Warum verbindest du Fußball mit Politikwissenschaft? Was hat es gemeinsam?
Diese Frage kann ich in der gebotenen Kürze nicht beantworten.
Wie beschreibst du dich selbst? Als Künstler? Politikwissenschaftler? Schriftsteller? Fußballspieler?
„Schriftsteller“ ist von den vier angebotenen Wörtern das unverfänglichste. – „Warum bist du Schriftsteller geworden“, wurde ein Kollege gefragt. „Weil ich als Fußballer zu schlecht war“, lautete seine originelle Antwort, die auch ich gerne gegeben hätte.
War Fußball in der Vergangenheit ohne Technologie schöner oder ist er heute mit Hilfsmitteln wie dem VAR schöner geworden?
Der „alte“, ohne technische Hilfsmittel auskommende und allein von den „Tatsachenentscheidungen“ eines Schiedsrichters geleitete Fußball war für mich der schönere Fußball. – Heute, unter VAR-Einsatz, werden oft Regelverstöße geahndet (z. B. Abseits-Entscheidungen), die kein Mensch gesehen hat, sondern allein die Kamera. Das ist für mich Teil einer Entmenschlichung des Spiels.
Warum bist du bei Verdi tätig?
Ich bin Mitglied des Verbandes deutscher Schriftsteller, VS.
Der VS ist eine Sparten-Gewerkschaft unter dem Dach der „Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft“ ver.di.
Irgendwelche Vorteile habe ich in den 30 Jahren, die ich dabei bin, aus meiner Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht gehabt. Aber die jährlichen Mitgliederversammlungen, die über 2 bis 3 Tage gehen, sind immer wieder eine gute Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Als Schriftsteller ist man doch meistens ein Einzelgänger und Einzelkämpfer.
Gedichte von Prof. Dr. Klaus Hansen:
Kraft der Ruhe
Die flinken Tiere sterben jung,
plötzlich,
von zu großer Eile gehemmt,
stoppt das Herz in Fahrt.
Nur schwerfällige Geschöpfe werden alt.
Dickhäuter, Schildkröten, Welse.
Am ältesten von allen
werden Steine.
Steinen liegt die Ruhe.
Übersetzung:
Сила непорушності
Істоти спритні помирають молодими,
раптово
через поспіх і квапливість
їхнє серце зупиняється у плині.
Старіння ж має хист створінь повільних.
Як соми, черепахи й товстошкірі.
Найстарішим з усього
є каміння.
Йому належить спокій і понині.
Kiew 23
Ich bin 13, Torhüter bei Dynamo.
Manchmal geht beim Training
das Flutlicht aus.
Dann spielen wir Verstecken.
Wenn es knallt,
mach ich den Mund auf
und halt mir die Ohren zu.
Sonst platzt das Trommelfell.
Sobald das Flutlicht wieder angeht,
hören wir auf zu spielen.
Und trainieren wieder
fürs nächste Spiel.
Übersetzung:
Київ 23
Мені тринадцять, я у Динамо на воротах.
На тренуванні іноді
зникає світло;
тоді ми граєм в схованки в пітьмі.
Я вибух чую,
затуляю вуха щільно
і ширше відкриваю рота,
щоб барабанні перетинки вціліли.
Поновлюється світло і відбій тривоги,
ми припиняємо забаву,
триває тренування знову
заради майбутньої гри.
Übersetzungen der Gedichte ins Ukrainische: Liliia Shulaieva
Kursfotos © VHS Düsseldorf, Ansgar Fabri
Fotos Klaus Hansen © Fritz-Peter Linden